Kazuo Katase wurde 1947 in Shizuoka, Japan, geboren. Nach ersten Ausstellungen in Galerien in Tokio 1973 und 1974 kam er 1975 auf Einladung von Klaus Hoffmann, dem Leiter der Städtischen Galerie Wolfsburg nach Deutschland, um in deren Grafischen Werkstätten zu arbeiten und seine erste Ausstellung in Deutschland zu realisieren. Anschließend führte ihn die Einladung der Architektin Lucy Hillebrand und seine Ausstellung in der Galerie Apex nach Göttingen. 1976 zieht Katase nach Kassel. Floris M. Neusüss hatte ihn eingeladen in dem von ihm gegründeten Fotoforum an der GH-Kassel zu arbeiten. Sein Interesse an der Fotografie, das sich bereits in Japan ausgebildet hatte, vertiefte sich in den folgenden Jahren. Das Positiv-Negativ-Verfahren wurde zu einem wichtigen Thema seiner Fotografie. Die Negativabbildung lässt ein Schattenbild entstehen, bei dem Licht und Dunkel vertauscht sind: ein Hinweis auf die Wirklichkeit hinter dem Bild. Dieses Darstellungsprinzip tauchte auch noch in seinen letzten Fotografien und Malerei auf. Kassel blieb bis zu seinem Tod in 2024 sein Lebens-und Schaffensort.
In den1980er und 90er Jahren wurde Katases Arbeit durch Museumsausstellungen in Europa und Japan international bekannt. Dabei stehen vor allem seine Installationen im Mittelpunkt. Neben zahlreichen Einzelpräsentationen nimmt er 1986 auch an der heute legendären, von Jan Hoet konzipierten Ausstellung chambres d’amis in Gent teil, ebenso 1992 an der documenta IX. Bekannt gemacht hatten Katase zudem eine Reihe permanenter Installationen im Außenraum. Beginnend mit der spektakulären Arbeit Trink eine Tasse Tee, die er 1987 temporär auf dem Furkapass in den Schweizer Alpen installierte, schaffen diese Installationen eine eigene Ordnung, in der sich Kunst, Architektur, Raum und Landschaft miteinander verbinden.
Die Hinwendung zur Malerei, wie sie Katase in den letzten Jahren vollzogen hatte, gleicht einer existentiellen Wahl, die direkt im Leben des Künstlers wurzelte. 2007, es war das Todesjahr seiner Eltern, reiste er erstmals, einem lange gehegten Plan folgend, nach Indien, um dort die heiligen Stätten des Buddhismus und Hinduismus aufzusuchen. Er reiste dabei von Neu Delhi aus nach Varanasi, von dort nach Bodhgaya und Rajgir, wo der Buddha lebte und lehrte, und erreichte schließlich Kolkata. Katase empfand diese Reise als Begegnung mit seinem geistigen Ursprung und verspürte danach den Drang, auch seine Kunst in eine neue Richtung zu führen.
Kazuo Katase, war einer der zentralen japanischen Künstler im Westen. Er begann seine künstlerische Ausbildung 1967 mit Vorstudien der Malerei und Kohlezeichnung in Tokio und entschloss sich dann, als Künstler einen independent way, ohne weitere akademische Ausbildung zu gehen. Schon früh, im Kontext der Künstlergruppe Group 361° + Intersection, entwickelte er ein Interesse für die europäische Phänomenologie, namentlich für das Werk von Edmund Husserl und Maurice Merleau Ponty. Der Zusammenhang zwischen Dasein und Welt und die Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit treten damals in das Zentrum seines Interesse und bestimmte seine Arbeit.
1975 kam Katase nach Deutschland, um seine künstlerische Ausbildung zu vertiefen. Dabei interessierte er sich besonders für die konzeptuelle Fotografie. In seinen Arbeiten „Sehbilder“ und den sich daran anschließenden „Sehschulen / Performances“ will er dem Akt des Sehens eine sichtbare Form geben, er veranschaulicht jene Prozesse, die zur Entstehung eines Bildes im Kopf führen.
Fotografie und Skulptur bestimmten in den 1980er und 90er Jahren seine Arbeit, zudem machten ihn raumgreifende Installationen bekannt, bei denen Leuchtbilder und wenige Objekte – ein Haus, ein Fenster, ein Bett, die für die menschliche Situation in der Welt einstehen – in ein durchdringendes blaues Licht gehüllt sind, welches die Wahrnehmung des Betrachters auf eigentümliche Weise intensiviert.
Neben seiner künstlerischen Tätigkeit vertiefte sich Katase in die deutsche Philosophie und Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Er liest Nietzsche und Heidegger und besonders die Texte von Goethe, Novalis, Thomas Mann und Hermann Hesse. Gleichzeitig kam ihm der Buddhismus wieder näher, die Religion seiner Herkunft. Entscheidend wurden für ihn die Schriften von Daisetz Suzuki und Kitarō Nishida. Beide Geisteshaltungen, bestimmten nun seine Vorstellungswelt, und seine Kunst wird zu einer Begegnung von Orient und Okzident.
2010 wandte sich Katase erneut der Malerei zu. Auf Bögen von schwerem Büttenpapier trägt er mit Lappen oder direkt mit dem Handballen Pastellfarben auf: die Malerei wird dabei zu einem Akt der Meditation, der die Persönlichkeit des Künstlers ausdrücklich zurücktreten lässt. Als Motiv wählt er dabei eine Trinkschale, die auf dem Gemälde platziert wird. Katase begreift sie als leere Schale und spielt damit an auf die dem Buddhismus innewohnende Vorstellung von sunyata, die jene erfüllte Leere meint, den Zustand des erleuchteten Bewusstseins. Motiv und Malweise bleiben sich dabei gleich, allein die Farbklänge verändern sich von Werk zu Werk. Mit der vereinfachten, sich gleichbleibenden Komposition dieser Gemälde und dem persönlich anonymen, nicht durch Emotion, sondern durch geistige Konzentration bestimmten Auftrag der Farbe verbinden sich Katases Bilder, so lässt sich sagen, etwa mit der Malerei eines Josef Albers oder Ad Reinhardt, die seit den 1950er Jahren in den USA die Abkehr vom Abstrakten Expressionismus und dessen emotionaler Emphase vollzogen. Eine vergleichbare Verdichtung der Bildwirkung erreichte Katase auch in seinen großformatigen schwarz/weißen Fotografien. Es handelt sich um Barytabzüge von der Hand des Künstlers, die von Licht gesättigt scheinen, als träte es dem Betrachter aus der Tiefe des Papiers entgegen.
(Heinz Liesbrock, Pressetext, London 2016, überarbeitet in 2025)